Die Bundeswehr, das KSK und der Rechtsextremismus

Politischer Umgang und (mögliche) Ursachen

In der Bundeswehr (BW) – aber auch in der deutschen Polizei – werden immer wieder Fälle von rechtsextremen Soldaten und Verstrickungen dieser in rechtsterroristische Netzwerke öffentlich. Gerade in dem Eliteverband Kommando Spezialkräfte (KSK) kommt es zu rechten Ausfällen wie bei der Abschiedsfeier des KSK Oberleutnant Pascal D. (siehe YouTube-Kanal Y-Kollektiv) oder zu Funden von Waffen, die von Angehörigen der BW entwendet wurden. Diese werden für einen faschistischen Umsturz am sog. Tag X gehortet, wie der Fall des ehemaligen Kommandosoldaten Andre S. („Hannibal“) belegt.

Dass innerhalb der BW strukturelle Probleme mit Rechtsextremismus existieren, bemerkte nach der Aufdeckung der Terrorpläne des Soldaten Franco A. 2017 auch die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und sprach von einem „Haltungsproblem“ und falschem Korpsgeist, der dazu führe, dass rechtsextreme Aktivitäten von Soldaten*innen nicht verfolgt wurden (1). Zu Erinnerung, Franco A. fiel schon 2014 mit einer völkischen und rassistischen Masterarbeit auf, die aber keine weiteren Folgen als die Korrektur der Arbeit von A. selbst zur Konsequenz hatte. Als jedoch von der Leyen nach einer anderen politischen Affäre zur EU Kommissarin weg gelobt wurde, kehrte ihre Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur üblichen Verfahrensweise mit rechten Umtrieben im deutschen Militär- und Sicherheitsapparat zurück – leugnen und bloß kein Generalverdacht (2). Dass nun drei Jahre später dieselbe Kramp-Karrenbauer mit Tatendrang und Umstrukturierungen vorprescht, deutet Martin Brand in der jungle.world, so, dass die Ministerin „in erster Linie kritischen Fragen aus dem Parlament zuvorkommen“ wolle (3). Ein Verdacht, der nur plausibel erscheint, wenn man sich den generellen Umgang mit dem Problem Rassismus und Rechtsextremismus in Behörden anschaut. Allein die Frage von Saskia Esken (SPD), ob ein „latentes Rassismusproblem“ in der Polizei bestehen könnte, sorgte für einen Aufschrei bei CDU/CSU, SPD, Grünen und innerhalb Teilen der Linken.

Dabei ist das Problem nicht neu. Bereits Mitte der 1990er fielen Soldaten in der Führungsebene der BW mit rechtsextremen Aussagen auf. »Ich erwarte von meiner Truppe Disziplin wie bei den Spartanern, den Römern oder bei der Waffen-SS«: forderte 1995 der damalige Kommandeur und heutige General a.G. Reinhard Günzel bei einer Übung von seinen Soldaten (4) . Diese Forderung führte jedoch nicht zu seiner Entlassung, sondern lediglich zur einer Versetzung. Ein paar Jahre später wurde Günzel Kommandant des KSK. Erst 2003 müsste Günzel vor Ende seiner Dienstzeit die Bundeswehr verlassen, ebenfalls wegen rechtsextremer Aussagen. Heute ist Günzel häufig Referent bei Burschenschaften, NPD nahen Vereinigungen und beim Institut für Staatspolitik (neu-rechter Thinktank, u.a. gegründet von Götz Kubitschek). Die Nähe von Offizieren a.D. zu Extremrechten ist weit verbreitet, wie Jörg Kronauer in einem Artikel der jungle world deutlich macht. Er zeigt dort auf, dass viele Offiziere nach ihrer Dienstzeit geschichtsrevisionistische und die Wehrmacht verherrlichende Publikationen veröffentlichen (5). Dies hängt auch mit dem ebenfalls in den 1990er aufkommenden „Neotraditionalismus“ innerhalb der Führungsebene der BW zusammen. Der Militärhistoriker und ehemalige wissenschaftliche Direktor des Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr Detlef Bald konstatierte bereits 1998 eine Förderung bedenklicher „neotraditionalistische und restaurative Tendenzen in der Bundeswehr“ (auf die Wehrmacht bezogen) durch Veröffentlichung einzelner Autoren innerhalb der aktiven Führung der BW (6). Das solche Aussagen und Publikationen auch auf das untere Personal der BW auswirken und auf den unkritischen Umgang mit rechten Tendenzen in der BW ist daher nicht verwunderlich – der Fisch stinkt, wenn er stinkt, nicht nur an einer Flosse sondern immer auch am Kopf.

Warum sich rechtsextreme Tendenzen gerade in Eliteverbänden der BW niederschlagen, darüber können nur Vermutungen angestellt werden. Das KSK ist, wie im Folgenden erklärt wird, eine abgeschottete Truppe ist und unterliegt einer sehr reduzierten Kontrolle durch das Parlament: Nur wenige Parlamentarier*innen haben Kenntnis über die die Einsätze des KSK und dürfen darüber nicht öffentlich sprechen. Eine kritische Öffentlichkeit hat noch weniger Einblick in das KSK. Die strenge Geheimhaltung machen das KSK besonders attraktiv für die Regierung, insbesondere da Einsätze der BW in Konfliktgebieten bei Teilen der deutschen Gesellschaft auf wenig Zustimmung treffen. Mit dem KSK allerdings kann eine kritische Öffentlichkeit leicht umgangen werden, da keine Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit besteht und auch Todesfälle in Einsätzen nicht genannt werden müssen. Mit dem KSK können somit verdeckte Operationen am Parlament und der Öffentlichkeit vorbei durch geführt werden, was in einem demokratischen Staat äußerst bedenklich ist. Auf der anderen Seite können auch Offiziere und Kommandanten ohne auf zufliegen rechtsextreme Ideen verbreiten, weil auch die Angehörigen des KSK zu Stillschweigen selbst vor Familienangehörigen verpflichtet sind und sich schon aus ihrem Eliteverständnis heraus als eine eingeschworene Truppe verstehen, in der strikter Zusammenhalt als Bedingung für die Funktion der Truppe im Gefecht angesehen wird. Auch verweist der Fall des Unteroffiziers Patrick J. darauf, dass Kritik an rechten Umtrieben in der BW generell ungern gehört wird. J. hatte immer wieder Vorgesetzte und den Militärischen Abschirmdienst über solche informiert und wurde schließlich aus anderen Gründen aber mit dem Zusatz „charakterlich ungeeignet“ entlassen (7).

Daran anknüpfend ist das Verständnis des KSK als Elite ein Problem: Zum einen heben sie sich nicht nur durch ihr besonderes Aufgabenfeld von regulären Soldaten und Soldatinnen ab, sie entwickeln ebenfalls ein eigenes Selbstverständnis, das sich von dem – ohnehin schon in BW Kreisen nicht besonders geschätztem – „Bürger in Uniform“ unterscheidet. Erinnert sei nochmal an den ehemaligen Kommandanten des KSK Günzel, der neben Disziplin wie bei der Waffen-SS einen Geist des „archaischen Kriegers“ dem des „Bürgers in Uniform“ vorzog.

Ein weiterer Punkt ist die starke körperliche aber auch psychische Belastung der KSK Soldaten. Letztere hängt nicht nur mit dem Einsatzprofil zusammen, welche beinhaltet, in geringer Truppenstärke hinter feindlichen Linien zu stehen, sondern auch mit der Verpflichtung zu Verschwiegenheit, was zur Folge hat, dass Leistungen nicht öffentlich gewürdigt werden können. Der Mangel an Würdigung in Verbindung mit oft schlechter Ausstattung – so verfügte das KSK zum Beispiel in Afghanistan über keine geeigneten Hubschrauber für ihre Einsätze und musste auf die Verbündeter zurückgreifen – kann bzw. muss zwangsweise zu Frustration bis hin zu Ablehnung der politischen Führung und des Systems führen, welches auch aus dem Selbstbild eines elitären „archaischen Kriegers“ schwach und wehrlos erscheinen mag.

Diese Überlegungen sind nur Thesen, da das KSK im Dunkeln arbeitet und Informationen als Geheimsache betrachtet werden. Jedoch deutet viel darauf hin, dass diese Strukturen rechten Umtrieben im KSK Vorschub leisteten und das KSK kaum der nötigen Kontrolle des Parlaments und schon gar nicht der Öffentlichkeit untersteht. In Anbetracht der vielen faschistischen Umtriebe bis zu Terrorplänen in diesem Verband muss von einer großen Bedrohung durch das KSK ausgegangen werden. Diese Gefahr kann letztlich nur durch eine Auflösung des KSK abgewendet werde, da eine Reform unter der nötigen strikten Geheimhaltung, die eine Einheit wie das KSK erfordert, unmöglich ist. Im Angesicht der kürzlich in Sachensen-Anhalt aufgedeckten rechten Preppergruppe, welche neben der Mitlgiedschaft in der Leipziger Burschenschaft Germania auch ihre Tätigkeit als Bundeswehr-Reservisten verbindet (8), stellt sich uns die Frage, ob die Bundeswehr in Bezug auf rechtsterroristische und faschistische Tendenzen überhaupt noch reformierbar ist.

Konsequenzen wird es jedoch nicht ohne öffentlichen Druck geben. Daher bleibt es weiterhin die Aufgabe aller Antifaschist*innen die Bundeswehr kritisch im Auge zu behalten und gegebenenfalls zu intervenieren und rechte Netzwerke in der Bundeswehr aufzudecken.